Für viele ist diese Art der Energiebereitstellung noch neu. Deshalb möchten wir zeigen was alles möglich ist.
PROJEKT: Bad Nauheim - Forschungsprojekt KNW-Opt.
Ausgangslage
Die Energiewirtschaft spielt beim Erreichen der Klimaschutzziele eine besonders große Rolle, denn das verankerte Ziel der Treibhausgasreduzierung fordert die
schrittweise Abkehr von der Verbrennung fossiler Energieträger. Klimafreundliche thermische Energie für ganze Wohnsiedlungen kann beispielsweise durch Kalte
Nahwärme (KNW) mit oberflächennahesten Erdwärmekollektoren bereitgestellt werden. Diese können als Energiequelle, -senke und -speicher dienen. Das
KNW-Netz, welches primär zur Wärmeverteilung dient, trägt bei diesem System ebenfalls zur Energiegewinnung bei. Dies führt zu einer nahezu verlustfreien Wärmebereitstellung. Nachdem das Wärmeträgermedium vom Erdwärmekollektor über das KNW-Netz zu den Gebäuden transportiert wurde, wird durch die dezentralen Wärmepumpen das benötigte Temperaturniveau in Wohngebäuden erreicht, sodass die Gebäude mit Warmwasser und Heizwärme versorgt werden. Mit der Wärmepumpe und dem KNW-System kann in den Sommermonaten parallel dazu auch Kälte bereitgestellt werden. Die Stadtwerke Bad Nauheim entschieden sich im Jahr 2019 für die kalte Nahwärme, um das Neubaugebiet „Bad Nauheim Süd“ mit 100 % regenerativer Wärme und Kälte zu versorgen. In dem Baugebiet sind seitdem bereits zwei Drittel der geplanten 400 Wohneinheiten in ca. 180 Wohngebäuden fertiggestellt. Als Erdwärmekollektor wurde ein oberflächennahester, zweilagiger
Großkollektor installiert. Die beiden, übereinanderliegenden Kollektorebenen sind jeweils rund 11.000 m² groß. Daneben wurde ein 6 km langes, aktives KNW-Netz errichtet.
Projektaufbau
Um die Langzeitauswirkungen des Wärmeenergieentzugs und der –beaufschlagung auf das Erdreich zu eruieren und das Gesamtsystem zu optimieren, wurde seitens der Technischen Hochschule Nürnberg ein umfangreiches Messkonzept entwickelt und umgesetzt. Dazu wurden die Energiezentrale, die Großkollektoranlage, das KNW-Netz sowie die Wärmepumpen aller Gebäude in das Monitoring aufgenommen. Außerdem befindet sich auf dem Dach der Energiezentrale eine Wetterstation. Mit dem Messfeld an der Großkollektoranlage und weiteren bodenkundlichen Untersuchungen kann das Verhalten des Erdwärmekollektors analysiert werden. Eine zentrale Fragestellung dabei ist etwa, wie die beiden Erdwärmekollektorebenen optimal auf den Energiebedarf abgestimmt werden können. Dazu werden Betriebsszenarien entwickelt und erprobt. Zudem können die Daten genutzt werden, um das hier eingesetzte Simulationsprogramm DELPHIN weiterzuentwickeln. Das Teilvorhaben der
Technischen Hochschule Nürnberg umfasst neben der Planung und Auswertung der messtechnischen Erfassung auch die systemische Inbetriebnahme des Gesamtsystems. Ebenfalls ist die Technische Hochschule Nürnberg mit der Erarbeitung von Optimierungsstrategien und der Projektkoordination betraut. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden zum Projektabschluss praxistaugliche Auslegungswerkzeuge erarbeitet.
Projektziele
Das Konzept der kalten Nahwärme ist bereits mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. So lieferten vorausgegangene Forschungsvorhaben wie ErdEis, ErdEisII und EnVisaGe-Plus bereits erste Ergebnisse von der Grundlagenforschung bis hin zu kleineren Anwendungen. Zweilagige, horizontale Großkollektoranlagen in Verbindung mit einem aktiven KNW-Netz sind in dieser Größenordnung noch weitestgehend unerforscht und somit Gegenstand dieses Forschungsvorhabens. Im Rahmen von KNW-Opt sollen übertragbare Lösungen für weitere Standorte entwickelt werden, um eine skalierbare und nachhaltige thermische Energieversorgungslösung zu etablieren.